Gleich zwei Mal wurde die Höxteraner Drehleiter am 29. November 2008 zu einem Dachstuhlbrand im gleichen Haus in die Sollingstraße nach Holzminden gerufen. Die Drehleiter Holzminden war reparaturbedingt nicht einsatzbereit, weswegen die Drehleiter aus Höxter angefordert wurde. Die erste Alarmierung erfolgte um 13.31 Uhr. Bereits um 14.10 Uhr war der Einsatz für die Höxteraner schon beendet, die Drehleiter kam nicht mehr zum Einsatz, da der Brandherd schnell unter Kontrolle war. Um 14.57 Uhr wurde die Drehleiter Höxter zum zweiten Mal zur gleichen Adresse alarmiert. In diesem Fall brannte der Dachstuhl großflächig. Haben die Kameraden aus Holzminden das Feuer nicht richtig gelöscht?

NEIN, es handelte sich laut Polizeiangaben um Brandstiftung. Die Brandbeschleuniger im Dachstuhl zündeten erst nach dem Abrücken der Feuerwehr. Weil diesmal kein Innenangriff möglich war, wurden sofort ein B- und ein C- Rohr (durch die Ortsfeuerwehr Holzminden), ein Wenderohr (über die Drehleiter Höxter) und ein C-Rohr (über die Drehleiter Stadtoldendorf) vorgenommen. Der Dachstuhlbrand konnte so schnell unter Kontrolle gebracht werden. Die anschließenden Nachlöscharbeiten mussten auch vorrangig über die Drehleitern Höxter und Stadtoldendorf durchgeführt werden, da ein Vordringen der Trupps bis zum Dachstuhl nicht möglich war, weil auch die Treppe bis zum Dachstuhl größtenteils weggebrannt war. Ein Übergreifen der Flammen auf andere Stockwerke konnte durch die Feuerwehr verhindert werden.

Bericht Neue Westfälische: Anni M. (48, Name geändert) schlug nur einmal kurz die Augen nieder, zeigte aber ansonsten keine Reaktion. Es war ja auch noch kein Urteil. Gestern sind vor dem Holzmindener Schöffengericht die Plädoyers gehalten worden. Staatsanwältin Bosse, die ihren Vornamen nicht genannt haben möchte, forderte drei Jahre und acht Monate Haft für Anni M. Obwohl es kein Geständnis und keinen eindeutigen Beweis gibt, ist Bosse von der Schuld überzeugt. "Setzt man die vielen kleinen Puzzleteile, die die Ermittlungen und die Beweisaufnahme ergeben haben, zusammen, ergibt sich ein klares Bild, das nur einen Schluss zulässt, nämlich den, dass die Angeklagte die Tat begangen hat", sagte die Staatsanwältin. Demnach hätte die 48-jährige Höxteraner Arztgattin vorsätzlich am 29. November 2008 im Zeitraum zwischen 14.25 und 14.45 Uhr die Zahnarztpraxis ihres Ehemannes im Ärztehaus in der Holzmindener Sollingstraße angezündet. Sie soll dazu einen Müllsack, der sich auf der Treppe zum Dachboden befand, angezündet haben. Strafverschärfend wirke sich dabei aus, dass sie danach noch Menschen in das Gebäude hineingeführt und diese wissentlich in Gefahr gebracht habe. Gegen 15 Uhr, als der Brand durchzündete, befanden sich außer der Angeklagten noch der Liebhaber, der Ehemann sowie drei Mitarbeiter einer Elektrofirma in der Praxis. Bei dem Feuer ist der gesamte Dachstuhl abgebrannt und hat mehrere 100.000 Euro Schaden verursacht. Die Angeklagte sei die einzige, die Grund und Gelegenheit gehabt hätte, die Tat zu begehen. Ihr Motiv: Habgier. "Erst im August waren die Versicherungen für Inventar und Betriebsausfall aufgestockt worden", erklärte die Staatsanwältin. Zusammen ergibt sich hier eine Summe von 860.000 Euro. Der Liebhaber der Angeklagten war zum Zeitpunkt Auszubildender in dem Versicherungs-Büro. Zwei Stunden lang hat Staatsanwältin Bosse in ihrem Plädoyer anhand der Aussagen von fast 40 Zeugen den Hergang zu rekonstruieren versucht. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch Bewegungsprofile aus den Handy-Daten des Telefonprotokolls. Auch wenn hier nur eine Brandstiftung angeklagt sei, habe es aber bereits zuvor in engem zeitlichen Zusammenhang zwei Brandstiftungsversuche gegeben, und hier könne insgesamt nur die Angeklagte als Täterin in Betracht kommen. Denn genau in diesem Zusammenhang habe Anni M., die sich ansonsten zum Tathergang kaum geäußert hat, das Gericht belogen.

"Fakt ist, dass sie ausgesagt hat, sie hätte am Morgen des Tattages um 9.25 Uhr, als sie von der Praxismitarbeiterin angerufen worden ist, zu Hause mit ihrem Freund im Bett gelegen. Tatsächlich war ihr Handy aber nachweislich im Funkmast der Sollingstraße in Holzminden unweit des Tatorts eingeloggt", erläuterte die Staatsanwältin. Die Verteidiger forderten Freispruch. "Die umfangreiche Beweisaufnahme bis zum heutigen zwölften Verhandlungstag hat nicht nur die Zweifel an der Anklage bestätigt, sondern beweist auch, dass sie die Tat nicht begangen haben kann", betonte Rechtsanwalt Jens Ebert. Die Schuld seiner Mandantin sei keinesfalls erwiesen, sagte auch Verteidiger Dietlef Bitterberg. Es sei nicht ausgeschlossen, dass alles sich auch ganz anders zugetragen haben könnte. Rechtsanwalt Bitterberg: "Es ist nicht unsere Aufgabe, einen Täter zu präsentieren, wir können nur festhalten, dass es gerechtfertigte Zweifel gibt, die auch nicht widerlegt worden sind." Das letzte Wort hatte gestern die Angeklagte. "Meine Familie und ich haben sehr viel durchlitten. Seit jenem Tag frage ich mich selbst immer wieder, was dort geschehen sein kann. Ich habe keine Antwort. Ich kann nur sagen, dass ich es nicht war", sagte Anni M.

Fotos: Thomas Kube